53 THE GOOD, THE BAD & THE BEAUTIFUL BASS

Blick zurück nach vorn.

”Tim schraubt Bass” ist jetzt ein gutes halbes Jahr online. Der Bass ist seit ein paar Monaten in einem Zustand, den man ”fertig” nennen kann. Und er ist seitdem kontinuierlich im Einsatz, sowohl im (dann nicht so) stillen Kämmerlein zu Hause als auch bei den wöchentlichen Proben meiner Band DIE BERATER.  Und einen ersten Gig hat er auch schon hinter sich. Zeit, ihn noch einmal genau anzusehen – und ein vorläufiges Fazit zu ziehen. 

Den Bauprozess hatte ich letzte Woche ja schon in der neuen Bildergalerie SCHRAUBEN KOMPAKT zusammengefasst. Jetzt folgt hier sozusagen SCHRAUBEN IM DETAIL. Doch zunächst mal alles auf Anfang: Was war überhaupt meine Intention, als ich das Projekt begonnen habe? OK, die offensichtliche Antwort ist:

> Ich wollte einen E-Bass selbst zusammenschrauben!

Das hat ja wohl auch funktioniert. Also Haken dahinter. Und weiter:

> Der E-Bass sollte die klassische Bauform ”Fender Precision” haben.

Hat auch geklappt. Hatte ich ja auch so konzipiert – und die Teile für so ein Projekt sind ja auch alle gut verfügbar, weil es eben eine ganz klassische Bass-Bauform ist.

> Der Bass sollte die ”Allround-Lösung” für den Einsatz in meiner Band werden.

Durchaus, ja, ist er geworden und gefällt in dieser Funktion nicht nur mir, sondern auch meinen geschätzten Bandkollegen. Check!

Aber dann gab es ja auch einen weiteren, sehr zentralen Aspekt meines Projekts:

> Ich wollte ausprobieren, ob man sich auch als Nicht-Handwerker ein brauchbares Instrument zusammenschrauben kann.

Tja-haaa. Da könnte ich jetzt natürlich mit Fug und Recht ”Yes, you can!” sagen und auch einen Haken dran machen. Aber interessant wird es ja immer erst im Detail. Also schauen wir uns den Bass doch mal näher an … Was finde ich an ihm gelungen & gut – und was nicht?

THE GOOD

> Der Bass sieht super aus. Keine Widerrede.

> Das geölte & gewachste Holz fühlt sich fantastisch an.

> Die (unverlötete) Elektrik funktioniert bisher weitgehend  störungsfrei. Volume- und Tone-Regler arbeiten differenziert – für mich der erste passive Bass, bei dem der Tone-Regler wirklich brauchbar ist.

> Der Bass ist sehr, sehr stimmstabil (was vor allem für die Qualität der BassParts.de-Teile spricht, aber vielleicht auch ein bisschen für die Qualität meines Schraubens … 😉 ).

> Der Sound ist ausgewogen, druckvoll, tragfähig, durchsetzungsstark, dynamisch gut formbar und charakterstark. Ein echter Preci eben.

> Die Bespielbarkeit (Saitenlage etc.) ist für mich prima.

> Die geniale Einfachheit. Ein Pickup, zwei Regler, satter Sound – und los. Leo Fender hat mit dem Precision Bass eben einen absolut zeitlosen Instrumentenklassiker geschaffen – der immer noch auf allen Bühnen der Welt unterwegs ist

> Und, das Wichtigste: Es ist MEIN Bass – selbst konzipiert, selbst zusammengeschraubt und vollkommen einzigartig! 

THE BAD

> Das Gewicht – ziemlich genau 4,5 kg – ist zwar normal bzw. Durchschnitt für einen Bass dieser Bauart. Aber meine Schulter meldet sich leider schon wieder schmerzhaft, seit ich den Bass regelmäßig spiele.

> Der Tone-Regler fizzelt beim Runterdrehen im letzten Drittel minimal.

> Die Brückenkonstruktion der Göldo 3D Bass-Bridge erleichtert das Saitenaufziehen eigentlich, weil man die Saiten einfach einlegen kann. Aber sie schlackern auch leicht wieder aus der Brücke, wenn man sie beim Drehen der Mechaniken nicht festhält. Wahrscheinlich Gewöhnungssache.

> Die Bundierung ist zwar sauber und ordentlich, aber an ein paar Stellen schnarrt es dann doch etwas über das Normalmaß hinaus. Das war allerdings von Anfang an klar. Bei einem neuen Hals sollten nach der Bassmontage die Bünde abgerichtet werden. Am besten vom Fachmann. Ist schon in Planung – mehr dazu demnächst!

> Das Hals-Finish. Martina Ziesemann hatte mich gewarnt – ”Beim Hals raten wir eher zu einer Mattlackierung, weil der doch sehr schnell verschmutzt und mit dem Lack besser geschützt ist.” Das habe ich aus optischen & haptischen Gründen ignoriert. Und siehe da:

Je nach Licht sind bereits gräuliche Spielspuren deutlich sichtbar. Hm. Ich kann aber damit Leben – man sieht’s ja im Normalbetrieb des Basses nicht. Und dann wiederum zahlen heute viele Musiker bizarrerweise viel Geld für das künstliche ”Ageing” ihres Instruments. Edelbassbauer wie Sandberg bieten das sogar als standardmäßig an, in verschiedenen Abstufungen. Wer’s mag … Ich mag lieber echte, selbst gemachte Spielspuren. Und selbst detailverliebte Gitarrenbauexperten wie Oliver Baron und Gerald Marleaux haben mir im Gespräch bestätigt, dass sie solche Spielspuren am Hals überhaupt nicht schlimm finden – im Gegenteil. Zum Vergleich dann hier auch mal der optische Zustand des Halses meines 1988 gebraucht gekauften Kontrabasses:

Schön, oder? 😉

> Ein paar Klitzekleinigkeiten sind mir handwerklich nicht so gelungen, Zum Beispiel der legendäre allererste Montageschritt – das Einkleben des Sattels. Der steht unten (also auf der Seite der G-Saite) m. E. ganz minimal über, vielleicht einen Drittelmillimeter. Sieht man kaum, merkt man beim Spielen auch kaum oder gar nicht, glaube ich – die Saitenführung ist trotzdem OK. Aber es ist eben nicht perfekt gelungen. Und ich weiß es. Ebenso ist der Stringtree an der Kopfplatte nur zu 95 % an der perfekten Position. Aber das soll reichen …

> Die Pickup-Montage lief auch nicht so optimal. Was auch Auswirkungen auf die Funktionalität hat: Die Höhenverstellung funktioniert nicht wirklich gut. Da muss ich wohl bei Gelegenheit aus noch mal nachbessern (lassen).

Viele der Punkte auf der Negativliste könnte man aber wohl auch genauso aufzählen, wenn man einen E-Bass mittlerer Preisklasse irgendeiner Standard-Marke irgendwo kauft. Denn da können sich natürlich auch kleine handwerkliche Fehler finden – oder das Setup ist nicht optimal und muss nachgebessert werden. Eine ganze normale Sache, die viele (gute) Gitarrenläden auch standardmäßig beim Kauf eines Instruments anbieten.

THE BEAUTIFUL BASS

Tja, das isser … und ich bin sehr glücklich mit ihm. Und da er eben nicht perfekt ist, bietet er mir auch noch viel Gelegenheit zum Weiterschrauben. Und zum Weiterschreiben. Bis bald also!